Dreimal, so sagt sie, habe sie Glück gehabt und das Grauen in Theresienstadt überlebt. Das erste Mal, als ihr Vater eine Arbeit als Schreiner bekam und nicht nach Auschwitz weitertransportiert wurde. Das zweite Mal, als sie an Typhus, Scharlach, Masern und Hepatitis erkrankte, aber nach einem Jahr Aufenthalt im Krankenhaus wieder gesund wurde. Und das dritte Mal, als ihr Vater statt mit seiner Familie mit dem letzten Transport nach Auschwitz im Lager aushelfen musste, weil ein Sturm einige Baracken zerstört hatte.
Aber Frau Vidláková erzählt nicht nur von ihrem eigenen Schicksal. Sie spannt einen großen Bogen von der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 über die Besetzung der damaligen Tschechoslowakei im Frühjahr 1939 bis zur damit verbundenen zunehmenden Entrechtung der jüdischen Bevölkerung.
Aber dann zeigt sie zwei Bilder der Schulklasse ihrer Mutter, das erste zeigt die komplette 9. Klasse mit ihrer Lehrerin. „Ihr seid doch auch in der neunten Klasse!”, fragt sie die beiden 9. Klassen, die ihr so aufmerksam zuhören, dass man eine Stecknadel fallen hören kann. Und dann, das nächste Bild, wo nur noch ihre Mutter und ein einziges Mädchen noch zu sehen sind. Alle anderen Personen sind durchgestrichen, nicht mehr zu erkennen. „Das sind die Personen, die den Terror der Nationalsozialisten überlebt haben. Alle anderen wurden umgebracht.”
Frau Vidláková erzählt weiter von den Lebensbedingungen im Lager Theresienstadt, von Mangelernährung, Krankheiten und Erschöpfung und was mit den Menschen passierte, die in Viehwaggons nach Auschwitz transportiert wurden.
Warum erzählt sie das alles einer Generation, die nicht dafür verantwortlich ist, was geschah? “Ihr sollt niemals so etwas erleben”, “Fallt nicht auf Menschen herein, die euch sagen, es gebe Menschen, die kein Recht hätten zu leben“ und „Es liegt an euch, passt auf, dass so etwas nie wieder geschieht!“
Auf Initiative der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Siegerland e.V. kommt Dr. Michaela Vidláková aus Prag immer wieder ins Siegerland, um anderen Menschen, vorzugsweise Schülerinnen und Schülern von ihren Erlebnissen und Erfahrungen im Ghetto Theresienstadt zu erzählen.
Im Juni 2016 wurde sie für ihren unermüdlichen Einsatz mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
J. Menn