Überall in Siegen, aber auch in Netphen, liegen im Bürgersteig messingfarbene Pflastersteine mit den Lebensdaten und dem Sterbeort von aus unserer Region während der Zeit des Nationalsozialismus deportierten, meistens jüdischen Mitbürgern. Das Ensemble des jungen Theaters Siegen hat sich diesem Thema gewidmet und ein Theaterstück entwickelt, das das Schicksal einiger der betroffenen Siegener Familien wieder lebendig werden lässt. Anlässlich des Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 gastierte das Ensemble mit dem Stück „Unheimliche Heimat“ gestern im Forum des Gymnasiums Netphen.
Das Stück erzählt die Erfahrungen der beiden jüdischen Siegenerinnen Inge Frank und Betty Hochmann in ihren Jugendjahren im Nationalsozialismus nach. Was denn so schlimm daran sei, jüdisch zu sein und ob man vor Juden Angst haben müsse – darüber zerbrechen sich die beiden den Kopf. „Was ist an den Juden denn anders?“, fragt Inge Frank ihre Freundin Betty. Die zuckt nur mit den Schultern und antwortet: „Keine Ahnung.“
24 Akteure des Jungen Theaters Siegen sind an der Produktion beteiligt, über zwei Jahre Arbeit stecken in der Aufführung. Im Vorfeld sprachen die Jugendlichen mit Historikern und Zeitzeugen, verbrachten Stunden bei der Recherche und investierten ihre Freizeit in die Proben. Einige der Szenen schrieben die Darsteller selbst, andere verschriftlichte Peer Ball, Vorsitzender des Jungen Theaters, nach Improvisationen zusammen mit den Nachwuchsschauspielern. Das Stück wird damit zum Doku-Drama, es verknüpft dokumentarische und fiktionale Inhalte.
Am Ende der Aufführung stellten sich die jungen Akteure im Rahmen eines Theatergesprächs den Fragen ihrer ebenfalls jungen Zuschauerinnen und Zuschauer, wobei deutlich wurde, wie sehr das Stück sein Publikum berührt hatte – und wie schwer es für junge Schauspieler sein kann, in die Rolle eines Nazi-Schergen zu schlüpfen.